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Heute habe ich einen tollen Gast, nämlich Julia Tulipan. Sie ist Keto Lifestyle Coach, Buchautorin und Entwicklerin mehrerer Online Kurse.

Ich kenne Julia schon sehr lange und wir sehen uns jedes Jahr mindestens zwei Mal, einerseits beim LCHF Kongress in Düsseldorf und bei unserem jährlichen Netzwerktreffen in Salzburg.

Themen im Interview sind:

  • Julia Tulipans eigene gesundheitliche Leidensgeschichte
  • Wie sie es geschafft hat, heute in der besten Form ihres Lebens zu sein
  • Wie sie ketogene Ernährung definiert
  • Welche Auswirkung eine ketogene Ernährung auf unsere Leistungsfähigkeit hat
  • Und: Was Ernährung mit Dingen wie Erholung und Schlaf zu tun hat

Julia hat ursprünglich Biologie und Zoologie studiert. Im Jahr 2013 hat sie sich aber als Ernährungs-Coach selbständig gemacht. Wie es dazu gekommen ist, erzählt sie im Interview. Momentan ist sie dabei, einen Master in klinischer Ernährungsmedizin zu machen, welchen sie im April 2019 abschliessen wird.

Durch ihre umfassende Ausbildung geht sie ihre Beratungen sehr ganzheitlich an. Optimale und personalisierte Ernährung ist dabei ein Aspekt, Stress, Schlaf, Regeneration und Mikronährstoffe sind weitere wichtige Säulen, die sie in ihre Beratung mit einfließen lässt.

In diesem spannenden Interview beschreibt sie uns, wie du deine Leistung mit Ernährung steigern kannst. Egal ob für Sport, deinen Beruf oder deine Hobbies.

 

Durch eigenen Leidensdruck zur Ernährung gekommen

 

Julia: Herzlich Willkommen bei mir im Podcast, liebe Julia. Schön, dass Du da bist!

Julia T.: Hallo und danke für die Einladung!

Julia: Ich habe Dich bereits im Vorspann ein bisschen vorgestellt und habe erzählt, dass Du ursprünglich Biologie und Zoologie studiert hast. Wie bist Du denn von den Tieren auf den Mensch gekommen?

Julia T.: Das war, wie bei vielen Leuten aus unserer Branche, aus eigenem Leidensdruck heraus. Ich habe mich immer für Ernährung interessiert, aber nachdem ich den klassischen Ratschlägen brav gefolgt bin mit viel Vollkorn, viel Sport, wenig essen, viel Soja, kein Fett und brav Kalorien zählen etc. war ich irgendwann so kaputt, dass nichts mehr funktioniert hat. Dann habe ich begonnen nachzudenken und die Studien herauszusuchen und das Ganze zu hinterfragen und wenn man tatsächlich die Primärliteratur liest, dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen. So war ich gezwungenermaßen so sehr in diesem Thema drin, dass sich eine Art von Leidenschaft für mich entwickelt hat. Ich dachte mir, wenn es anderen genauso ergeht wie mir, möchte ich es teilen und noch besser verstehen. So bin ich dazu gekommen.

Julia: Sehr spannend. Kannst du ein bisschen schildern wie es dir ging, bevor du das entdeckt hast? Und wie ging’s dir danach, nachdem Du das Gelesene und Gelernte umgesetzt hast?

Julia T.: Ich war nie wirklich übergewichtig in dem Sinne, eher etwas mollig. Mit 15 ungefähr, wo man sich hormonell und körperlich zu verändern beginnt und mit Schönheitsidealen konfrontiert wird und beginnt sich und seinen Körper mit anderen zu vergleichen, habe ich dann mit klassischen Diäten begonnen, sodass ich im Untergewicht war. Irgendwann dann mit Mitte 20 hat es dann angefangen, dass ich mehr investiert habe, indem ich genauer schaute, was ich esse, oder was ich noch weniger essen kann. Rückblickend habe ich gesehen, dass ich mit Depressionen zu tun hatte. Man weiß oft nicht in dem Moment wie es einem anders gegangen wäre, aber rückblickend gesehen weiß ich, dass es depressive Verstimmungen waren. Ich habe Hilfe in verschiedenen Psychotherapien gesucht, aber dass irgendwas mit der Ernährung sein könnte, war damals für mich überhaupt keine Überlegung, weil ich mich gesund ernährte. Natürlich ab und zu mal eine Pizza, aber ich habe immer gekocht, auch als Studentin. Die depressiven Gefühle haben sich quasi immer gehalten – von der Grundstimmung her Schwermut, sehr leicht entmutigt. Ich begann dann zuzunehmen trotz 5x Sport in der Woche und in der sozusagen ‚Höchstzeit‘ 1000CAL gegessen. Was ziemlich genau gemessen war, weil ich auf der Präzisionswaage abgewogen habe. Trotzdem nahm ich zu und mir ging es psychisch ziemlich schlecht. Ich glaube manchmal muss man ganz am Boden sein, um zu sagen ‚Es funktioniert nicht, was ich gemacht habe. Ich muss etwas Anderes probieren‘. Das war ziemlich interessant, weil ich als erstes anfing das Getreide wegzulassen. Meine Eltern sahen mich einige Wochen nicht, weil ich mich zu der Zeit in Schweden befand, und sie wussten nicht, dass ich etwas an meiner Ernährung veränderte. Jedoch ist ihnen meine Wesensveränderung sofort aufgefallen. Ich war viel positiver und hatte eine andere Ausstrahlung, das war ein sehr interessantes Feedback.

Julia: Und du hast nur Weizen weggelassen? Oder alles an Getreide?

 

Positive Wesensveränderung durch Weglassen von Getreide


Julia T.
: Nicht nur Weizen. Getreide generell. Ich habe alles weggelassen wie Brot, Nudeln, solche Dinge und auch den Zucker. Sehr viel Zucker, Süßigkeiten habe ich davor schon nicht gegessen, weil ich schon so wenig Kalorien aß und mich eigentlich sehr gesund ernährt habe. Weissbrot oder sonstigen schnellen Kohlenhydrate habe ich also auch vor meiner Umstellung nicht gegessen und war eigentlich schon davor sozusagen auf einer gesunden Diät.

Der zusätzliche Schritt war einfach, dass ich die ganzen Getreidesachen weggelassen habe.

Wirklich interessant war die Wesensveränderung.

Von da an war es seit 2011/2012 ein langer Weg mit viel ausprobieren. Man sieht natürlich Veränderungen, vor allem am Wesen und der Schlafqualität und der Energie. All diese Dinge haben sich sehr schnell verbessert. Das Gewicht und die Körperform, was mich am meisten belastet hat, hat sehr lange gedauert.

Julia: Worauf führst du das im Nachhinein zurück?

Julia T.: Einerseits glaube ich, dass manche Dinge einfach Zeit zum heilen brauchen. Und ich glaube – damit wirst du sicherlich auch immer wieder konfrontiert sein – dass die Leute fragen, wie schnell sie eine Änderung erwarten können und z. B. ob sie in 3 Monaten schon 20 Kilo weniger haben, so in der Art. Es hat nicht nur 3 Monate gedauert, bis ich da war, wo ich jetzt bin. Ich habe mich 30 Jahre lang in einer gewissen Art und Weise ernährt und gelebt. Vielleicht zu wenig Schlaf, zu wenig Vitamin D und nicht auf andere wichtige Dinge geachtet. Ich kann nicht erwarten, dass in 3 Monaten wieder alles gut ist und alles weg ist. Ich denke das Ganze ist ein Heilungsprozess. Was jetzt im Internet an Informationen zur Verfügung steht, ist nicht zu vergleichen mit dem was 2012 war. Da war vieles gerade erst am aufblühen. Deswegen hab ich viel selbst ausprobiert und gelernt. Dadurch ist der Prozess natürlich auch nochmal länger, wenn man alles testen und herausfinden muss. Es sind sicherlich mehrere Aspekte.

Julia: Und wie geht’s dir heute?

Julia T.: Gut!!

 

Die Entscheidung gesünder zu leben liegt bei uns selbst


Julia
: Schön! Also konntest du quasi das behalten, was du dir erarbeitet hast?

Julia T.: Genau! Es ist ziemlich witzig, ich gehe ja bald auf die 40 zu und die 30 ist ja schon für viele ein Weltzusammenbruch und für viele ist 40 dann schon quasi das Todesurteil. Im Bekanntenkreis, wo alle gleich alt sind ist das schon ein Thema ‚Um Gottes Willen, 40!!! Jetzt geht’s bergab!‘. Und für mich muss ich sagen, geht’s nur bergauf. Ich war noch nie so fit und habe mich noch nie so gesund gefühlt wie jetzt. Für mich ist es definitiv ein Bergauf. Und diese Erfahrung ist etwas, was ich jedem wünsche. Dass es nicht ab 30 bergab geht und dass es nicht normal ist, dass man keine Kraft hat, müde ist, Haarausfall hat usw.

Viele nehmen es einfach hin, nach dem Motto ‚Es ist halt so, wenn man älter wird.‘ Das ist aber Blödsinn. Ich habe jeden Tag meines Lebens die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidung kann sein: Heute ändere ich meine Ernährung. Heute werde ich ein Training beginnen. Heute werde ich was für mich tun – an die frische Luft gehen, in die Sonne gehen. Es ist nie zu spät, eine Veränderung zu machen.

 

Was ist ketogene Ernährung und was hat sie mit Leistungsfähigkeit zu tun?

 

Julia: Das stimmt. wir wollten ja heute auch noch ein bisschen über das Thema Leistung, Leistungsfähigkeit und Ernährung sprechen. Du bist ja im Bereich ketogener Ernährung tätig. Kannst Du das kurz erklären, was ketogene Ernährung überhaupt ist?

Julia T.: Ketogene Ernährung ist eine Spezialform der Kohlenhydratreduzierten Ernährungsformen. In dem Sinne speziell, weil sie sehr fett reich ist. Vom Eiweiß her sagt man, es ist dem Bedarf entsprechend. Das heißt, es ist sehr individuell. Nicht wirklich hoch, sondern in der moderaten Gegend. Das ganz Besondere und Namensgebende für die ketogene Ernährung ist, dass man den Körper in einen Stoffwechselzustand bringt, in dem er beginnt, ganz spezielle Moleküle zu produzieren. Und das sind die Ketonkörper. Eine Voraussetzung für die ketogene Ernährung ist, dass ich diese Kentonkörper produziere und nachweisen kann. Man kann sich das so vorstellen, dass das eine ganz schnell Verfügbare Energieeinheit im Körper ist. Wir haben Zucker und Körper im Fett. Fette sind aber sehr lange Moleküle, Beispiel: Fett löst sich nicht gut in Wasser. Also müssen Fette speziell transportiert werden. Es ist auch nicht so leicht, dass sie in die Zellen reinkommen und sie können das Gehirn nicht mit Energie versorgen. Da haben wir dann die Ketonkörper, die der Körper selbst macht. Das sind ganz kurze und kleine Verbindungen, die super leicht transportiert werden und das Gehirn wunderbar mit Energie versorgen können und einen Teil des Zuckers ersetzen und leicht in die Zellen kommen. Das ist grob umrissen, was die ketogene Ernährung ist.

Julia: Hast du super erklärt! Das heißt ja dann eigentlich, wenn man sich das genau durch den Kopf gehen lässt was du erklärt hast, dass unser Hirn nicht zwingend nur Zucker braucht.

Julia T.: Genau. Das Gehirn kann 70% seines Energiebedarfs nur über die Ketonkörper decken und der Rest bleibt Glukose, bzw. auch Laktat kann das Hirn als Energiequelle nutzen.

Julia: Und woher bekommt das Gehirn dann die Glukose, wenn ich mich Kohlenhydratarm ernähre?

Julia T.: Kohlenhydratarm ist ja nicht Kohlenhydratfrei. Es ist natürlich individuell, aber in der strengsten Form sind es ca. 20 gr Kohlenhydrate pro Tag. Es kann bei manchen mehr sein, z. B 80, 90 oder sogar 100gr. Wenn ich jetzt sehr sportlich bin und viel trainiere, kann auch das durchaus im Rahmen sein. Das ist so die eine Seite. Ein bisschen was kommt von außen dazu, aber auf der anderen Seite hat der Körper die Möglichkeit, Zucker selbst zu produzieren. Fette werden von sogenannten Triglyceriden gespeichert – das sind 3 Fettsäuren, die an einem Glycerol hängen. An seinem Rückgrat hängen 3 Fettsäuren dran und wenn diese Fettsäuren zur Energiegewinnung genutzt werden, bzw. Ketonkörper daraus gemacht werden, wird dieses Glycerol frei und aus dem Glycerol kann ich Glukose machen. Ich kann aus dem Abbau der Triglyceriden Glukose machen. Lange Zeit hat man geglaubt, dass die Neubildung von Zucker aus Aminosäuren basiert. Da war immer im Hintergedanken: Oh Gott! Wenn ich zu wenig Zucker esse, baut mein Körper Muskelmasse (Protein) ab, um aus den Aminosäuren Zucker zu machen. Das kann anfänglich tatsächlich der Fall sein, aber in dem Moment wo Ketonkörper produziert werden und Fett mobilisiert wird, habe ich tatsächlich die Möglichkeit aus dem Glycerol die Neubildung von Zucker zu machen. Das heißt, die Menge an Aminosäuren, die noch verwendet werden, nehmen nur einen kleinen Part ein.

Julia: Und wie können wir uns diese Ketose zu Nutze machen? Was bringt uns das?

Julia T.: Ketose hat ganz viele interessante Effekte. Wenn wir uns Leistungsfähigkeit, oder Stressresistenz, Energie und Energiebereitstellung als Thema überlegen, dann haben wir einerseits den Vorteil dass wenn ich in dem Zustand der Ketose bin bzw. mir die Flexibilität erarbeitet habe, dass der Körper leicht zwischen Fettverbrennung und Zucker als Energiequelle hin- und herschalten kann, dass ich dadurch einiges an Stress rausnehmen kann. Ich denke, fast jeder wird früher mal erlebt haben, wie wir mal alle Zuckerjunkies waren. Oft hatte man nach zwei Stunden nach dem Essen kalten Schweiß oder eine Art Zittern, als würde der Blutdruck stark absinken. Dieses Gefühl des Unterzuckers ist auch ein Stress für den Körper.

Diese Art von Energiekrisen kann ich sehr gut abfangen, wenn ich in Ketose bin, bzw. mir diese Flexibilität erarbeitet habe, dass der Körper wieder fette Ketonkörper und Zucker je nach Bedarf nutzen kann. Diese Flexibilität haben viele verlernt, deswegen dürfte eigentlich nicht passieren, dass ich alle zwei Stunden essen muss. Jeder von uns trägt genug Energiereserven mit sich herum, da muss man nicht alle zwei Stunden Nahrung zu sich nehmen. Wenn ich das nicht kann und darauf angewiesen bin alle zwei bis drei Stunden zu essen, dann heißt es, dass ich diese Flexibilität verloren habe. Die kann ich aber wiedererlangen und damit – wenn ich die Flexibilität habe – schon mal von der Seite Stressoren und z. B. den Stressor des Unterzuckers rausnehmen, das wäre so ein Aspekt.

 

Entzündungshemmende Wirkung

 

Ein anderer Aspekt ist Entzündung. Auch Entzündung ist ein Stressor, der unseren Körper täglich fordert und ich denke, dass wir alle eine Art von Energiepensum pro Tag zur Verfügung haben. Dieses Energiepensum kann für verschiedene Dinge aufgebraucht werden, z. B. wenn ich viele Entscheidungen treffen muss, oder wenn eine emotionale Belastung war. Kennt man vielleicht auch aus Situationen, wo man sagt, dass es einen viel Kraft gekostet hat. Zum Beispiel ein Telefonat, was einen so belastet, dass man eigentlich keine Energie mehr hat, irgendetwas anderes zu tun. Auch Entzündungsprozesse zehren an diesen Energiereserven und das Interessante ist, dass einerseits Ketonkörper selbst anti-inflammatorisch, also entzündungshemmend wirken.

Da gibt es einen Rezeptor des Immunsystems, das heißt NLRP3-Inflammasom. Im Wesentlichen reguliert dieses Imflammasom, dass Entzündungsbotenstoffe ausgesendet werden und Ketonkörper hemmen dieses Imflammasom. Das lässt sich wirklich nachweisen. Wir können wirklich zeigen, dass Ketonkörper an der Zelle einen entzündungshemmenden Effekt ausüben. Man muss sich vorstellen, all diese Zellprozesse sind nicht einfach darzustellen, oder das zu erforschen.

Die Möglichkeit, diese Signalwege sichtbar zu machen, haben wir noch nicht so lange. Wir haben zwar in den früheren Studien oft beobachtet bei Leuten, die chronisch entzündliche Gelenkerkrankungen haben, dass sich das durch die Ketose verbessert hat, aber niemand wusste warum. Erst seit Kurzem können wir wirklich diese Prozesse mechanistisch erklären, warum das so ist. Und das ist halt ein Aspekt. Was auch interessant ist – zum Beispiel beim Sport sieht man – dass Regeneration, oder die Fähigkeit zu regenerieren verbessert wird, wenn Sportler ein Ketoregime verwenden.

Auch da hat man lange nicht gewusst, warum, da hat sich in den letzten Jahren vieles getan! Jetzt wissen wir, dass Ketonkörper als Antioxydans wirken. Sie fangen freie Radikale und jede Art von Entzündungsprozess produziert freie Radikale, das heißt: wir haben hier wieder den Einfluss auf die Entzündung. Auch durch Training fördere ich natürlich Entzündung, weil ich Muskelschäden verursache und wenn ich hier offensichtlich auf mehreren Ebenen einmal über das Imflammasom, einmal als Antioxydans selbst über all diese Prozesse, zeigt sich jetzt, dass diese Regenerationsfähigkeit verbessert wird.

Auch was für Sportler gilt, kann man auch übertragen auf ähnlichen Leistungen ausgesetzt, wenn ich jetzt an Unternehmer denke, oder an Mütter die ja quasi 24/7 ohne Pause durcharbeiten und vielleicht noch zusätzlich einen Job haben. Das sind Menschen, die Hochleistungen erbringen müssen und auch diese Personen, oder wenn man nicht im Hochleistungssport ist, aber hier einen sehr anstrengenden Beruf haben, können davon profitieren schneller oder besser zu regenerieren, wie man diese antioxydantischen Eigenschaften der Ketone nutzen kann.

 

Weshalb verbessert sich auch der Schlaf?

 

Julia: Schneller regenerieren, aber auch sich besser konzentrieren, am Morgen wacher zu sein, besser zu Schlafen. Wie erklärst du das mit dem Schlafen? Warum schlafen die Leute auf einmal besser?

Julia T.: Wenn ich von meinem Stoffwechsel her nicht so flexibel bin, oft mit dieser langen Fastenphase über Nacht, wo man im Schlaf nichts isst, quasi der Körper nicht zurechtkommt. Oft ist es dann so, dass man um 2-3 Uhr nachts aufwacht und hellwach und fit ist. Das kommt daher, dass der Blutzucker abfällt. Er ist aufgebraucht und es kommt nichts nach und gleichzeitig ist die Fähigkeit entsprechend Ketonkörper und Fett zu mobilisieren nicht gegeben.

Das heißt, wir landen in einer Energiekrise, die der Körper natürlich merkt. Vor allem das Gehirn reagiert sehr sensibel auf solche Energiekrisen wenn es merkt, dass keine Energie nach kommt. Es reagiert, indem das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird und Cortisol sorgt, dass in der Leber die Neubildung von Zucker angeregt wird. Und Cortisol macht wach. Wenn man sich gesunde Cortisolkurven anschaut, die haben einen Tagesverlauf und sollten am höchsten in der Früh sein und fallen über den Tag hinweg ab, um am Abend niedrig zu sein. So gegen 5 Uhr morgens sollte das Anfluten von Cortisol beginnen, weil das macht uns wach. Wenn natürlich in der Nacht so ein Cortisolpeak ist, dann hat das einen massiven Einfluss auf die Schlafqualität und das nimmt man mit der ketogenen Ernährung ganz schnell raus und wenn ich diese Flexibilität wieder habe. Es geht ja nicht nur um Ketone, sondern auch darum, dass der Körper wieder gut darin wird, auch Fette zu nutzen, um unter anderem die Ketone zu machen.

Julia: Eigentlich die ganze Bandbreite. Dass das, was wir eigentlich zur Verfügung hätten, auch nutzen können. Richtig?

Julia T.: Genau. Bedarfsgerecht sozusagen, weil die Glukose hat ja ihren Nutzen. Natürlich braucht man sie, aber nicht in der Menge, wie sie jetzt angeboten wird und die Glukose hat ihre Berechtigung, vor allem wenn es um schnelle Energiebereitstellung geht. Zum Beispiel im Sport bei ganz explosiven Trainings. Aber wir haben begonnen Glukose für immer zu verwenden, egal für was.

Julia: Oder für die Leute, die dann Maltodextrin nehmen, um eine Prüfung zu überstehen, da werden ja wirklich die wildesten Tricks angewendet.

Julia T.: Ja genau. Vor allem das Interessante ist, dass wenn man dem Gehirn Glukose und Ketonkörper anbietet, dann nimmt es bevorzugt die Ketonkörper auf. Das ist tatsächlich selektiv. Es präferiert dann Ketone, wenn beides zur Verfügung steht.

Julia: Das heißt, die ketogene Ernährung wäre eine natürlichere Form. Kann man das so sagen?

Julia T.: Naja ich denke es hat einerseits damit zu tun, dass es nicht in unserer Evolutionsgeschichte die Ausnahme war, so viel Zucker zur Verfügung zu haben. Es ist eigentlich ungewöhnlich. Das heißt jetzt nicht, dass wir ständig in Ketose waren, das sicherlich nicht. Das war vielleicht in gemäßigten Breiten, wo es Jahreszeiten gibt und Winter (ein halbes Jahr sowieso keine Vegetation). Da ist es anzunehmen, dass man vielleicht eher saisonal in Ketose war, aber sicherlich auch diese längeren Fastenphasen und auch nicht ständig alle zwei Stunden irgendwas zu essen.

 

Neugeborene gestillte Kinder sind in Ketose

 

Alleine dadurch war einfach diese Flexibilität gegeben. Vielleicht werden Ketone so gerne vom Gehirn verwendet, weil sie gerade in der frühkindlichen Entwicklung eine ganz zentrale Rolle spielen. Ein Neugeborenes, das gestillt wird, ist tatsächlich in Ketose. Auch wenn die Muttermilch nicht super high-fat ist, also sie hat schon einiges an Kohlenhydraten, aber wir sind die einzigen fetten Primatenbabys. Es gibt sonst keine Primaten außer uns, die fette Babys haben. Ein Schimpanse, ein Bonobo, das sind alles ganz dünne Säuglinge. Unsere Babys sind dick und die brauchen dieses Fett, weil dieses Fett notwendig ist, um überhaupt diese Energiebereitstellung in den ersten Lebensmonaten zu gewährleisten.

Die können das nur mit der Nahrung gar nicht aufnehmen. Im Stoffwechsel muss man auch das Fett mit einberechnen, dass das Baby aus seinem eigenen Körperfett mobilisiert und dann landet man bei einer moderat ketogenen Diät quasi. Kinder, auch Kleinkinder kommen viel leichter in Ketose. Das sieht man auch aus der Epilepsie, wo Kinder mit ketogener Ernährung oft behandelt werden. Die kommen sehr leicht in sehr tiefe Ketose, was für Erwachsene viel schwieriger ist. Das heißt, da dürfte entweder vom Stoffwechsel her noch was anders laufen, was das einfach begünstigt. Und die Ketone sind in dieser ganz frühen Entwicklungsphase nicht nur Energielieferant, sondern auch ein Baustofflieferant.

 

Wo kannst du dich weiter über ketogene Ernährung informieren?

 

Julia: Ich glaube, wir sind auch so ziemlich am Ende angelangt. Was mich jetzt natürlich interessieren würde ist, wenn jemand sagt ‚Ich bin immer müde, ich brauche Energie. Das wäre jetzt was für mich, was ich ausprobieren möchte‘ Wie kann die Person sich informieren? Also ich weiß, dass Du und noch drei weitere Autorinnen zusammen ein Buch geschrieben habt – Der Keto-Kompass. Das ist bestimmt eine Sache, wie man sich informieren könnte, nicht wahr?

Julia T.: Ganz sicher. Wir haben versucht alles an aktuellem Wissen zusammen zu sammeln und so zu erklären, dass man es auch versteht, wenn man keinen Doktor in Biochemie hat. Es ist so aufgebaut, dass es für den Laien verständlich ist. Wenn man doch ein bisschen tiefer einsteigen will, kann man das. Das kann man aber auch auslassen, wenn einem das zu viel ist. Das wäre sicherlich ein guter Start! Da hat man sicherlich schon eine gute Basis.

Julia: Werde ich gerne in den Folgenotizen verlinken. Du hast ja auch einen Kurs, den man absolvieren kann, wenn man das lernen möchte und mehr Infos braucht und jemanden braucht, den man fragen kann. Es ist ja nicht immer so ganz einfach – bei dem Einen läuft’s super und andere haben vielleicht das ein oder andere anfängliche Problem mit der Umstellung. Magst du da noch etwas darüber sagen?

Julia T.: Einerseits mache ich sozusagen Beratung, aber meine Erfahrung ist, dass es meistens besser ist, über längere Zeit betreut zu werden. Aus dem Grund habe ich ein 12-Wochen-Programm entwickelt, das nennt sich KetoSMART. Das ist eine online Lernplattform, wo wochenweise Informationshappen freigegeben werden. Begleitet wird das Ganze mit fünf persönlichen Coachingterminen. Ich habe es deswegen so aufgebaut, weil es keinen Sinn macht, dass ich jemandem erkläre was Kohlenhydrate und Fette sind. Das sind alles Dinge, die man nachlesen kann. Trotzdem sind diese Fragen immer wieder da und deswegen habe ich das als Kurs angeboten. Ich möchte diese persönlichen Gespräche wirklich dafür nutzen, die individuellen Probleme zu lösen und zu schauen wie man das individualisiert, weil es den ein oder anderen Stolperstein gibt. Wenn man sich so lange wie ich mit dem Thema beschäftigt und so viel selbst ausprobiert hat und mit vielen Menschen gearbeitet hat, kann man viel aus dem Weg räumen. Learnings, die man vielleicht nicht mehr machen muss, die einfach schneller gehen, um schneller zum Erfolg zu kommen.

In diesen 12 Wochen kann man richtig viel weiterbringen. Das mit dem Gewicht ist eine Sache, aber viel mehr Leute können tatsächlich von der Energieseite profitieren. Wenn das gegeben ist, dann folgt fast alles andere von selbst. Aber wenn ich zu erschöpft bin, um irgendwas auf die Reihe zu bringen – und ich weiß wie es ist – dann kann man sich das noch so vornehmen. Es ist einfach schwierig! Es geht darum zu zeigen, es ist kein Charakterfehler den ich habe, sondern es ist eine organische Problematik auf zellulärer Ebene. Die Energiebereitstellung funktioniert nicht, wie sie sollte. Die kann ich aber reparieren. Ernährung ist sicher nicht alles, deswegen schaue ich auch auf andere Aspekte (Schlaf, Stressmanagement, Mikronährstoffe, Darmgesundheit, etc.). Dass man mal alles angesprochen hat und schaut, ob man evtl. noch eine andere Fachkraft dazu holen muss, wenn irgendwo größere Probleme sind. Das ist ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Da hat sich in meiner Erfahrung gezeigt, dass 12 Wochen wirklich Sinn macht. Es ist eine schöne runde Zahl, wo man viel lernen kann, viele Probleme löst, gute Erfolge erreichen kann. Man sieht tatsächlich Erfolge und man kommt schon auf sehr viele Probleme drauf, die man im persönlichen Gespräch angehen kann.

Julia: Das klingt ganz toll! Wo findet man Dich im Netz, wie heißt Deine Webseite?

Julia T: Man findet mich unter www.juliatulipan.at 

Julia: Gibt’s noch irgendwas, was Du zum Schluss gerne noch erwähnen möchtest, um das Gespräch noch abzurunden?

Julia T.: Vielleicht, dass man eigentlich nichts kaputt machen kann, wenn man es mal probiert. Es definitiv einen Versuch wert. Es ist nicht so, dass man sich dafür den Arm amputieren muss, wo es kein Zurück mehr gibt, sondern es ist definitiv etwas, was man einfach für 4 Wochen probieren kann. Es ist ein Versuch, ein Experiment – tut sich was, oder nicht? Ich bin mir sicher, dass wenn man entspannt an etwas herangeht, definitiv was mitnehmen kann. Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es doch nichts für einen ist. Probieren kann man es auf jeden Fall mal!

Julia: Das kann ich wirklich so unterstreichen. Würdest Du sagen die 4 Wochen, das ist so die Zeit, die man sich auf jeden Fall nehmen sollte?

Julia T.: Auf jeden Fall!

Julia: Vielen, vielen Dank für die vielen interessanten Anregungen und dass wir jetzt das Thema Ketogene Ernährung besser verstehen. Es hat wirklich großen Spaß gemacht! Ich wünsche Dir alles Gute!
Wir sehen uns ja bald schon am LCHF-Kongress. Danke für Deine Zeit!

Julia T.: Vielen Dank für die Einladung, ich habe mich sehr darüber gefreut!

 

Das war also das Interview mit Julia, ich hoffe, es hat dich neugierig gemacht, so eine ketogene Phase vielleicht selber mal auszuprobieren!

Wir haben ja noch den LCHF Kongress kurz erwähnt im Interview. Das ist eine ganz tolle Veranstaltung, nicht nur für Fachleute, sondern wirklich für jedermann. Meines Wissens ist das die beste deutschsprachige Veranstaltung, um mehr über Ernährung und verwandte Themen zu erfahren und insbesondere auch, andere gleichgesinnte Menschen kennenzulernen. Und auch die Redner sind immer für ein kurzes Gespräch und für Fragen ansprechbar in den Pausen, das macht auf jeden Fall auch den Charme dieser Veranstaltung aus.

 

 

Blogartikel von Julia Tulipan zum Thema:

 

LCHF Kongress:

https://www.expert-fachmedien.de/lchf-veranstaltungen/lchf-kongress-2019/

 

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Julia Gruber

Julia Gruber

Julia Gruber ist Ernährungs-Coach, Mitinhaberin von Gruber Gesundheit und Arktis BioPharma Schweiz und Entwicklerin des Onlinekurses Darmglück. Ursprünglich kommt sie vom Hotelfach, hat also die Wichtigkeit der Ernährung als Bestandteil unserer Kultur auch von der Geniesser-Seite her erlebt. Deswegen ist ihr Motto auch: Gesunde Ernährung muss lecker sein und Spass machen, sonst ist sie nicht gesund. Sie kocht gerne, liebt ihre Aufenthalte in Mallorca und ist ganz allgemein ein umgänglicher und fröhlicher Mensch.

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